Jaguar SS 1

Automobilkarosserien

Die war nun freilich so groß, dass man darin auch Karosserien für ganze Autos bauen konnte. Schon bald entstanden nett ausschauende Zweisitzer-Aufbauten für den kleinen, sehr beliebten Austin Seven. Der Autohändler Henlys winkte mit einem Großauftrag, wenn es auch eine viersitzige, geschlossene Ausführung des Austin-Swallow gebe. Diese folgte auf dem Fuße, ebenfalls mit attraktiver Zweifarben-Lackierung.

Das Unternehmen prosperierte. Als es 1928 abermals aus allen Nähten zu platzen drohte, zog Swallow in die Midlands, wo die meisten britischen Automobilhersteller heimisch waren. Bald fand man im Norden von Coventry im Ortsteil Foleshill geeignete Hallen und zog rasch dort ein.

Standard

Die manchem Liebhaber englischer Automobile noch von ihren späten Triumph-Roadstern erinnerliche Marke Standard war schon 1903 gegründet worden und brachte 1927 mit dem recht beliebten Nine einen tüchtigen Wagen der unteren Mittelklasse heraus. Liebhaber störten sich jedoch an der biederen Form seiner Karosserie.

So nahm es kaum Wunder, dass Lyons und seine Mannschaft 1929 zur London Motor Show ein attraktiveres Blechkleid für den Nine vorstellten. Das Dach war dabei so niedrig, dass die Windschutzscheibe nur noch einen schmalen Sehschlitz freigab. Der hohe Standard-Kühlergrill musste also für das ab März 1930 produzierte Serienmodell einer weniger weit aufragenden Ausführung weichen.
Eine ähnliche Sonderkarosserie präsentierte Swallow im Mai 1931 auch für den größeren Bruder des Nine, den Standard Ensign mit Sechszylinder-Motor. So entstand ein recht beeindruckendes Fahrzeug, dem freilich von echten Automobil-Enthusiasten die recht bescheidene Motorleistung entgegengehalten wurde. Da half es wenig, in der Werbung den „Tausend-Pfund-Look“ zu beschwören bei einem Fahrzeug, das nur gut ein Viertel davon kostete.

Neue Mechanik

Überhaupt wurde den Karosseriebauern recht häufig vorgeworfen, dass sie ja zur eigentlichen Substanz des Automobils, der technischen nämlich, nichts beitrügen. Das traf Lyons ebenso wie seine Unfähigkeit, auf dem Standard-Chassis so niedrige Karosserien unterzubringen, wie es die neueste Mode forderte.
Abhilfe gelang, als er den Standard-Chef John Black zu überzeugen vermochte, dass sich die für Swallow bestimmten Chassis künftig durch neben statt unter dem Fahrwerksrahmen angebrachte Blattfedern und 18 Zentimeter weiter hinten eingebaute Motoren auszuzeichnen hätten. Auf denen konnte Lyons seinen Traum mit niedrigem Dach und langer Motorhaube verwirklichen.

Doch kurz vor der ins Auge gefassten Premiere des neuen Wagens musste sich Lyons einer Blinddarmoperation unterziehen. Dessen Abwesenheit nutzte Walmsley, das Dach ein Stück höher zu setzen, um eine wenigstens halbwegs angenehme Sitzposition zu ermöglichen. Lyons war wie erwartet entsetzt, musste sich aber aus Zeitgründen mit der unelegant hohen Fahrerkanzel abfinden. Die ursprüngliche Form wurde freilich in der Werbung weiterhin gezeigt.
 

Premiere

So standen 1931 auf der Motor Show der S.S. One mit dem bekannten Sechszylinder-Motor und der S.S. Two mit etwas kürzerer Motorhaube und dem Motor des winzigen Standard Little Nine. Die neue Marke S.S. erklärte sich daraus, dass der Standard-Chef den von Lyons angestrebten, vor „Standard“ stehenden Zusatz „Swallow“ nicht akzeptieren wollte. Presse und Publikum waren recht begeistert von diesen Fahrzeugen, zumal sie wieder zu erstaunlich günstigen Preisen erhältlich waren.

Bald war vom Sechszylinder neben der Zweiliter-Ausführung 16 HP auch ein Zweieinhalbliter 20 HP erhältlich, der auf 55 statt nur 45 PS kam. Die HP sind die englischen Steuer-PS der damaligen Zeit.

Noch rassiger

Auch wenn sich die neuen S.S.-Modelle gut verkauften - Lyons sann schon bald auf Verbesserungen. So stellte er im Herbst 1932 den verbesserten S.S. One vor, nun auf noch längerem Chassis mit unter der Hinterachse hindurchgezogenen Längsträgern (underslung). Dadurch war es auch halbwegs ausgewachsenen Personen möglich, auf dem Rückbankpolster Platz zu nehmen.

Die Motoren erhielten eine leichte Leistungskur, um die zusätzlichen Pfunde von Fahrwerk und Karosserie auszugleichen. Man wagte sich mit ihnen erstmals an internationale Wettbewerbe wie die Rallye Monte Carlo, konnte aber noch keine großen Siege erringen.

Vielleicht um mit leichterem Aufbau fehlende PS zu kaschieren, erschien im März 1933 der offene Tourer mit leichtem, ungefüttertem Verdeck über den vier Sitzen. Die Türoberkanten waren ein Stück ausgeschnitten, damit man der damaligen Mode entsprechend lässig den Ellenbogen aus dem Auto heraushängen lassen konnte. Mit diesen Tourern konnte man zwar die Strapazen der Internationalen Alpenfahrt überstehen, musste aber das Siegertreppchen anderen Teams überlassen.

106 Millimeter Hub

Sowohl der 16 HP als auch der 20 HP erhielten ab der Motor Show von 1933 Motoren mit längerem Hub. Das neue Maß von 106 Millimetern ist deshalb erwähnenswert, weil Jaguar ihm bis 1987 treu bleiben würde, also über ein halbes Jahrhundert!

Ende 1933 war schließlich auch der S.S. Two in der neuen Form erhältlich. Die größeren Standard-Motoren aus den 10 und 12 HP hielten diese Fahrzeuge nun deutlich spürbarer in Bewegung. Ebenso wie beim One gab es Ausführungen als Coupé mit seitlichen Sturmstangen, Tourer und zweitürige Limousine mit vier Seitenfenstern.

Vom Tourer wurde für den Dienst bei der Polizeiwache in Bolton ein Exemplar bestellt. Damit war dieses Modell das erste Automobil von William Lyons für den Polizeidienst – es sollte nicht das letzte sein. Bis heute setzt die britische Polizei auf die Marke Jaguar, wenn sie besonders leistungsstarke Einsatzfahrzeuge benötigt.
 

Modelljahr 1935

Die im Herbst 1934 vorgestellten Modelle bekamen mit erhöhtem Verdichtungsverhältnis nochmals etwas mehr Leistung, dank der Einfälle des PS-Papstes Harry Weslake, und zwar beim 16 HP 53 bzw. und beim 20 HP 68 Pferdestärken. Mit zwei Vergasern kamen noch einmal fünf PS hinzu. Den S.S. One konnte man nun auch als modischen Airline mit leicht buckligem Fließheck bestellen. Erstmals verzichtete S.S. hier auf den Blechpfosten zwischen den Seitenscheiben, nicht aber auf die verchromten Scheibenrahmen.

Das Modelljahr 1935 wurde im März des Jahres vervollständigt durch das wetterfeste S.S. One Drophead Coupé, das äußerlich dem Coupé mit kunstlederbedecktem Dach glich. Gleichwohl ließ sich dessen Verdeck aber tatsächlich öffnen. Auch wenn von diesem Modell wegen der kurzen Bauzeit nur rund hundert Exemplare entstanden, sollte es Drophead Coupés bei S.S. und Jaguar bis 1960 geben.